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Vier Jahre Schulfahrten zu vergessenen Orten des Holocaust

polen1Seit 2018 führt das Neue Gymnasium Bochum (kurz: NGB) eine Polenfahrt nach Lublin und Zamość mit Besuch der Gedenkstätten Majdanek und Bełżec mit Schüler*innen der Jahrgangsstufe Q1 durch. Begleitet und unterstützt wird die Fahrt durch Bildungspartner wie die Steinwache Dortmund sowie finanziell durch die Fördermittel des Landes Nordrhein-Westfalen für schulische Gedenkstättenfahrten. Mit Erfolg: Inzwischen haben sich die Anmeldezahlen für die freiwillige Fahrt pro Jahrgangsstufe verdoppelt.

Von der Idee zur Planung


Ende 2016 erreichte das NGB das Angebot, an einer Lehrerfortbildung über „Vergessene Orte des Holocaust in Ostpolen“ teilzunehmen. Das Fortbildungsangebot passte perfekt zu einigen noch losen Vorüberlegungen im Kollegium der Schule, eine Fahrt zu weniger bekannten Orten des Holocaust in Polen zu initiieren. Die Fortbildung, an der eine Lehrkraft des NGB teilnahm, war absolut überzeugend und zeigte schnell die vielen Vorteile für eine Fahrt mit Schüler*innen nach Ostpolen zu „vergessenen Orten des Holocaust“ auf:
-Lublin bietet sich als Standort für eine Gedenkfahrt wegen seiner herausragenden historischen Bedeutung an: als Stadt mit ausgeprägter und langer jüdischer Geschichte, mit der Gründung der Jeschiwa 1930 gar zeitweilig geistiges Zentrum des osteuropäischen Judentums, als NS-Hauptquartier und Verwaltungssitz des „Distrikts Lublin“ mit dem am Ortsrand gelegenen früheren Konzentrations- und Vernichtungslager Majdanek, als Ausgangsort für die „Aktion Reinhardt“ mit der Räumung des Lubliner Ghettos am 16. März 1942.
-Für die Polen ist Lublin historisch darüber hinaus ein wichtiger Ort, weil hier im Jahr 1569 das Königreich Polen mit dem Großfürstentum Litauen eine Union einging, die sogenannte Lubliner Union: Das multiethnische Großreich hatte bis 1795 Bestand. An diese hervorgehobene Bedeutung erinnerte man sich auch in den Wirren des 20. Jahrhunderts: Gleich zweimal (1918 und 1944) war Lublin kurzzeitig Sitz der polnischen Regierung.
-Von Lublin aus bietet sich ein Tagesausflug in die äußerst sehenswerte Kleinstadt Zamość und nach Bełżec an. Zamość ist für das NGB eine besonders wichtige Station, da die ohnehin spannende Historie der Kleinstadt eine direkte Verbindung zur Geschichte der Bochumer Juden und Jüdinnen hat: Am 30.4. 1942 wurden Juden und Jüdinnen des Regierungsbezirks Arnsberg vom Dortmunder Südbahnhof aus nach Zamość deportiert, und somit auch Bochumer Juden und Jüdinnen.
-Lublin ist darüber hinaus heute eine vergleichsweise kostengünstige, überaus schöne, studentisch geprägte Stadt mit vielseitigem Angebot und lebendiger, charmanter Altstadt und somit eine ideale Abwechslung für Schüler*innen nach emotional herausfordernden Programmpunkten.
-Mit dem Besuch der Gedenkstätte Belezc haben die Schüler*innen die Möglichkeit, die Geschichte eines völlig anderen Lagers kennenzulernen, als es durch die Auschwitz-Fokussierung vermittelt wird, und das betrifft sowohl die Organisation des Lagers 1942/43, aber auch die Erinnerung an diesen Ort, wie sie sich heute darstellt: Wer nach Bełżec fährt, schaut sich diesen Gedenkort als Besucher in der Regel allein an.

 

Vorbereitung


Nach den positiven Eindrücken der Fortbildung ging es an die Arbeit. Ein Team von einigen Kolleg*innen bildete sich heraus, um die erste Fahrt nach Ostpolen zu planen. Von Anfang war es ein großer Vorteil, sich auf starke Bildungspartnerschaften wie die Steinwache Dortmund, aber auch das Bildungswerk Stanislaw Hantz verlassen zu können. Für die Fahrt wurden zwei Vorbereitungstage für die Schüler*innen geplant, die dazu genutzt werden, Schüler*innen mit der Geschichte Bochumer Juden und Jüdinnen, die 1942 nach Zamość deportiert wurden, vertraut zu machen. Stadtführungen durch Bochum und Dortmund stellen sicher, den Schüler*innen zu zeigen, dass die Vernichtungspolitik der Nazis zwar in Ostpolen umgesetzt wurde, aber auch in den Innenstädten von Bochum und Dortmund vor aller Augen begann. Zur ersten Fahrt meldeten sich bei vierzig freien Plätzen 48 Schüler*innen an.

 

Durchführung


Mit einer Zwischenübernachtung in Poznań erreichen wir Lublin. Besonders eindrucksvoll für Schüler*innen ist hier das Konzept der Konfrontation mit Originalorten der Geschichte: Bei der Führung durch das frühere jüdische Viertel von Lublin etwa oder der Führung durch den kleinen Ort Bełżec rund um die heutige Gedenkstätte herum werden die Schüler*innen immer wieder an den Originalschauplätzen mit historischen Dokumenten – Fotografien, amtlichen Dokumenten, Zeugenaussagen und Lebensberichten – konfrontiert. Den Eindruck der Synchronizität von Vergangenem und Gegenwärtigem, den die Schüler*innen durch visuelle Quellen, historische Erlebnisberichte und den eigenen Eindrücken vom gleichen Ort achtzig Jahre später erhalten, schärft den Sinn für die Lebendigkeit und Aktualität der Geschichte. Als besonders eindrucksvoll erleben die Schüler*innen den Besuch der Gedenkstätte Bełżec: Ausschnitte aus der erdrückenden Autobiografie Rudolf Reders führen uns auf das Gelände der heutigen Gedenkstätte, an der auf unzähligen Treppenstufen die Orte eingraviert sind, aus denen die Opfer der NS-Vernichtungspolitik kamen, um in Bełżec ermordet zu werden. An der Treppenstufe mit der Aufschrift von Dortmund halten wir an, um der Opfer unserer Mitbürger*innen aus Bochum, Dortmund und Umgebung zu gedenken. Hier wird es sehr still und es fließen auch einige Tränen. Emotionen und Eindrücke, die in den Gesprächs- und Reflexionsrunden am selben Abend und am nächsten Tag artikuliert, begleitet und aufgearbeitet werden. Schüler*innen beschreiben die Fahrt vielfach als eindrucksvollstes Erlebnis ihrer Schullaufbahn. Bei vielen Schüler*innen entsteht nach der Fahrt der Wunsch, sich in ihrem Leben zu engagieren: gesellschaftliches und soziales Engagement zu zeigen, sich für die Aufarbeitung der NS-Geschichte einzusetzen, gegen Diskriminierung und Rassismus im Alltag unserer Gegenwart vorzugehen. So sind es auch die Teilnehmer*innen dieser Fahrt, die unser Schulleben in den nächsten Jahren prägen: Sie verfassen Facharbeiten zur „Aktion Reinhardt“ und dessen Lagern, halten Vorträge am Holocaust-Gedenktag an unserer Schule, setzen sich bei Anti-Diskriminierungsprojekten an führender Position ein oder unterstützen die Erinnerungsarbeit unserer Schule als Alumnis.

 

Ausblick


Seit 2019 unterhält das NGB eine Schulpartnerschaft zu einer Europaschule in Zamość. Ein Kontakt zu dieser Schule wurde uns über unseren Bildungspartner, die Steinwache in Dortmund, vermittelt. Im Herbst 2022 hat das NGB einen Antrag auf Akkreditierung als Erasmusplus-Schule eingereicht. Wird dieser Antrag genehmigt, so beginnt 2023 eine Zusammenarbeit mit unserer Partnerschule in Zamość sowie einer weiteren in Cesky Brod, Tschechien, um Schüler*innen für verschiedene Erinnerungskulturen zum Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust zu sensibilisieren: Wie denken polnische und tschechische Schüler*innen über die deutschen Verbrechen des Zweiten Weltkriegs? Was lernen sie dazu in der Schule und wie funktionieren regionale Formen von Erinnerungskultur? Unsere jährliche Fahrt nach Polen wird damit um einen wichtigen Punkt erweitert: Die Schüler*innen müssen sich mit verschiedenen, teils kontroversen, widersprüchlichen Erzählungen und Erinnerungskulturen auseinandersetzen und mit polnischen und tschechischen Schüler*innen zu einer gemeinsamen, europäischen Erzählung finden. Auch dieses Projekt wäre in der Planung und Umsetzung ohne die Zusammenarbeit mit unseren Bildungspartnern unmöglich.

Anmerkungen zu Bildern
Bild 1 (oben): Gedenken an die jüdischen Opfer aus Bochum und Umgebung am Erinnerungsort Belzec
Bild 2: Marktplatz von Zamosc mit armenischen Häusern im Vordergrund und Rathaus im Hintergrund
Bild 3: Gedenktafel in Dortmund erinnert an die Sammelstelle für die jüdischen Menschen, die von Dortmund nach Zamosc deportiert wurden

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Fotos: Nils Vollert


 

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